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Hausgeburt: Riskant oder entspannt?

Hausgeburten werden in ihrer Nische immer beliebter. Jetzt sprechen sogar schon bekannte Influencerinnen über ihre Hausgeburtserfahrungen mitsamt Plazenta-Smoothies. Während die einen immer aufgeschlossener werden und selbst eine Hausgeburt in Betracht ziehen würden, sind andere der festen Meinung, eine Hausgeburt sei viel zu riskant. Stimmt das? Schauen wir uns doch einmal die Hausgeburt Statistik an.

Außerklinische Geburt: 4 Fakten (2023)

(Die Daten für 2024 liegen noch nicht vor)

Fakt 1

Im Jahr 2023 wurden 13.799 oder 1,98% aller in Deutschland geborenen Kinder (100%) außerklinisch geboren. “Außerklinisch” umfasst dabei folgende Geburtsorte: Räumlichkeiten der Schwangeren (Hausgeburt), Geburtshäuser, hebammengeführte Einrichtungen (z.B. Hebammenpraxen). Einkalkuliert werden auch Zwillinge, Totgeburten und ungeplant außerklinisch vollendete Geburten in Anwesenheit einer Hebamme.

Fakt 2

Die Bundesländer Bayern, Baden-Würrtemberg und NRW sind dabei die Spitzenreiter bei außerklinischen Geburten. Nirgendwo sonst in Deutschland werden soviele Kinder im außerklinischen Umfeld geboren. Der Hauptgrund dafür ist vermutlich die Größe und Bevölkerungsdichte dieser Bundesländer.

Fakt 3

In NRW leben und praktizieren mit einer Anzahl von 142 die meisten Hausgeburtshebammen in ganz Deutschland.

Fakt 4

Die Hauptgründe, warum werdende Mütter sich 2023 bewusst für eine außerklinische Geburt entschieden, waren: der Wunsch nach Selbstbestimmung, die angenehme und vertraute Umgebung, die vertraute Hebamme sowie das Sicherheitsbedürfnis

Die Sache mit dem Sicherheitsgefühl

Der ein oder andere mag sich jetzt wundern, warum manche Frauen ihr Sicherheitsbedürfnis zuhause eher erfüllt sehen als in einer Klinik. Denn schließlich ist die Sicherheit für die Mehrheit der Schwangeren der ausschlaggebende Grund, warum sie für die Geburt ins Krankenhaus fahren: Ärzte, Schmerzmittel, Anästhetika, PDA, technische Geräte für Notfallsituationen etc.

Was der einen Frau ein sicheres Gefühl gibt, bereitet der anderen Unbehagen oder wird schlichtweg als nicht notwendig empfunden. Bei einer komplikationslosen Schwangerschaft gilt im Normalfall: Wer seinem Körper zu hundert Prozent vertrauen kann und sich seines positiven und risikoarmen Geburtsverlaufes wirklich sicher ist, wird in den meisten Fällen auch einen haben – und muss somit keine Gedanken an Ärzte in OP-Kitteln und intensivmedizinische Gerätschaften “verschwenden”.

 

Verantwortung übernehmen

Es ist heutzutage leider einfach so, dass wir uns mehr auf Ärzte und Präparate verlassen als auf (freiberufliche) Hebammen und uns selbst

Warum ist das so?!

Vier mögliche Erklärungen:

Wir kennen es gar nicht anders. Seit Jahrzehnten werden Kinder in unseren Gefilden in Krankenhäusern geboren. Dazu gehört man auch meistens selbst. Außerklinische Geburten sind in Deutschland bisher nicht sehr verbreitet. 

Wir hegen eine gewisse Ehrfurcht vor Dingen und Abläufen, die wir nicht kennen. Wir wählen lieber den uns oder dem Kollektiv vertrauten Weg.

Bequemlichkeit, Unmündigkeit und das Unbehagen vieler Menschen, (Eigen-)Verantwortung zu übernehmen, führen zu folgendem Phänomen: Wir treten unsere Verantwortung lieber an autoritäre Personen (z.B. Ärzte) ab, die es vermeintlich besser wissen. Gerade bei so einem heiklen Thema wie der Geburt, verlassen wir uns lieber auf “anerkannte” Experten. Diese Experten sind für die Mehrheit der Schwangeren Ärzte auf den Klinik-Geburtenstationen.

Ein Großteil der Frauen heutzutage ist beim Thema “Geburt” stark von Angst und Unsicherheit geprägt. Als Folge davon sind viele von ihnen so weit von sich selbst entfernt, dass oftmals das urgegebene Vertrauen in und das Bewusstsein für den Körper und seine Fähigkeiten fehlen.

Wir sollten uns auf einen Gedanken besinnen: Seit jeher ist die Geburt ein Prozess, den die Frau im Grunde ganz ohne Eingriffe bewältigen kann. Das gilt auch heute noch für die Mehrheit der Frauen. Ich bin der Meinung: Viele Geburtskomplikationen – insbesondere in Kliniken – sind selbstgemacht. Denn jeder künstliche Eingriff in den natürlichen Geburtsverlauf stört die Ausschüttung von Oxytocin – unserem Wehenhormon. 

Versteht mich nicht falsch: Interventionen bei der Geburt sind in manchen Fällen für Mutter und Kind lebensnotwenig. Bei der Mehrheit der Gebärenden ließen sich aber einige Faktoren vermeiden: Verfrühtes Einleiten ohne triftigen Grund, erzwungenes Liegen im Bett, unnötig lange und unangenehme vaginale Untersuchungen (auch zu Schulungszwecken), Entblößen der Frau etc. Ich zeige euch im nachfolgenden Abschnitt, wie hoch die Interventionsrate in Kliniken bereits ist.

 

Beunruhigende Entwicklungen – Interventionen in der Klinik

Von Jahr zu Jahr wird immer mehr in Geburten interveniert und der Geburtsprozess immer mechanischer. Mittlerweile ist es sogar schon so weit, dass jede vierte Frau keine Chance auf einen natürlichen Geburtsbeginn hat und eingeleitet wird. Jede dritte Frau bekommt während der Geburt Wehenmittel und über die Hälfte eine Anästhesie. Ein Drittel der werdenden Mütter wird per Kaiserschnitt gebären (vgl. QUAG-Informationsbroschüre, S.6). Wo ist das Vertrauen in den eigenen Körper hin?!

Dabei schneidet die außerklinische Geburtshilfe wirklich gut ab und steht den Kliniken in nichts nach. Mehr noch: Mutter und Kind sind nach der Geburt oft sogar entspannter.

 

Ein Blick auf die Statistik

Die statistischen Daten, die ihr im Folgenden seht, entstammen dem aktuellen Qualitätsbericht der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG). Sie wurden von mir ausschnittweise unten abgebildet.
90,4% der Mütter hatten nach der Geburt keine Probleme oder sonstige Auffälligkeiten.
Mütter 90.4%
91,0% der Schwangeren erlebten eine Spontangeburt, d.h. eine ganz normale Geburt ohne Eingriffe.
Schwangere 91%
64,7% der Erstgebärenden konnte ihre Geburt wie geplant am außerklinischen Geburtsort beenden.
Erstgebärende 64.7%
92,3% der Zweitgebärenden konnte ihre Geburt wie geplant am außerklinischen Geburtsort beenden.
Zweitgebärende 92.3%
54,0%, also über die Hälfte aller Frauen, erlebten eine Geburtsdauer von weniger als neun Stunden.
Gebärende 54%
Nur 17,3% aller Gebärenden wurden in den klinischen Bereich übergeleitet - sprich ins Krankenhaus verlegt.*
Überleitungen 17.3%
Etwa 39,4% der Mütter blieb nach der vaginalen Geburt ohne Geburtsverletzung.
Mütter 39.4%
Bei 97,3% der Geburten war KEINE Überleitung des Kindes in eine Kinderklinik nötig.
97.3%
In 97,7% der Fälle waren KEINE Reanimationsmaßnahmen für alle lebend geborenen Kinder nötig.
97.7%
95,6% der Säuglinge hatten fünf Minuten nach der Geburt unmittelbar einen APGAR- Wert - dieser Wert zeigt die Vitalität des Neugeborenen an - von 9 bis 10, was einem sehr guten Zustand entspricht.
Säuglinge 95.6%

*Von 17,3% Kliniküberleitungen waren nur 0,8% (!) Notfallüberleitungen. Alle anderen Frauen (16,5%) konnten in Ruhe eine Klinik aufsuchen. Viele fuhren sogar noch zu ihrer zuvor vereinbarten Wunschklinik, obwohl sie nicht die nächstgelegene Klinik mit Geburtenstation war. Der Hauptgrund für “gewöhnliche” Überleitungen aus dem außerklinischen in den klinischen Bereich war der Stillstand der Geburt in der Eröffnungsphase. Einer der Hauptgründe für Notfallüberleitungen waren auffällige Herztöne des Ungeborenen.

Back to the roots

Ich bin der Meinung, wenn wir uns wieder mehr auf uns selbst und unsere enormen körperlichen und auch mentalen Kräfte fokussieren – eine Geburt läuft immer auf beiden Ebenen ab – können wir unseren Geburtsverlauf wieder mehr beeinflussen.

Denn wie seltsam mutet der Gedanke an, dass jemand Fremdes entgegen deiner Intuition und deiner Impulse für dich den Verlauf deiner Geburt entscheidet? Um das einmal klarzustellen, ich spreche hier nicht von Notfallsituationen. Ich spreche z.B. von ganz banalen Aspekten wie der Gebärposition. Mir ist in meinem Umfeld bereits zu Ohren gekommen, dass sich die Frau in der Klinik trotz ausdrücklichem Wunsch noch nicht einmal aussuchen durfte, in welcher Position sie ihre Wehen veratmen will.

Auch von physischer und psychischer “Gewalt” im Kreißsaal ist die Rede.

 

Gewalt im Kreißsaal: Ist das wirklich notwendig?

Der einen Schwangeren wird mittels extrem umstrittenen Kristeller-Handgriffs, manchmal sogar ohne Vorwarnung, das Baby “aus dem Bauch gedrückt”, die andere erfährt verbale Gewalt in Form von demütigenden und unsensiblen Äußerungen. 

Natürlich gibt es auch noch Kliniken, in denen das nicht oder selten passiert und wo man noch eine relativ selbstbestimmte und schöne Geburt erfährt. Die Tendenz zeigt aber, dass derartige Vorkommnisse immer alltäglicher werden, weil einfach Zeit, Personal, Geld und entweder als Summe des Ganzen oder generell oftmals das Feingefühl fehlen.

 

Alles im eigenen Tempo

 

Die Ziele der außerklinischen Geburtshilfe sind eine selbstbestimmte, stressfreie, interventionsarme – und im besten Fall sogar interventionsfreie – Geburt: Kein Druck, kein übergriffiges Verhalten. Nur richtungsweisende und wichtige Hinweise, falls die Geburt mal ins Stocken gerät (meine Erfahrung).

 

Außerklinische Geburt teilweise sicherer als Klinikgeburt

Wenn man sich mit dem Qualitätsbericht für außerklinische Geburtshilfe auseinandersetzt und die Statistiken wälzt (Daten ausschnittweise oben), wird man sehen, dass außerklinische Geburten (inkl. Hausgeburten) nicht gefährlicher sind als Klinikgeburten. Mehr noch: Wissenschaftlerin Ank de Jonge hat 2013 in einer niederländischen Studie sogar herausgefunden, dass eine außerklinische Geburt bzw. eine Hausgeburt für eine gesunde Schwangere mit unauffälliger Schwangerschaft sogar weniger riskant ist als eine Klinikgeburt. Das gilt ganz besonders für Zweitgebärende. Also für Frauen, für die das nicht die erste Geburt ist.

Heißt im Klartext also: Für bestimmte Personengruppen ist eine Hausgeburt aus verschiedenen Gründen (siehe Grafik unten) mit weniger Risiken verbunden als eine Klinikgeburt. Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind: Gesunde Mutter, potentiell gesunder Säugling, komplikationslose Schwangerschaft.

 

Zwölf Vorteile einer Hausgeburt

Es erwarten euch gleich 12 mögliche Gründe, warum eine Hausgeburt bzw. außerklinische Geburt bei der oben spezifizierten Personengruppe sicherer und entspannter sein kann als eine Geburt in der Klinik:

 

 

Das Gehirn unter der Geburt

Schauen wir uns außerdem an, wie das Gehirn einer Gebärenden im ungestörten Zustand arbeitet, stellen wir erneut fest, wie wichtig eine natürliche Geburt ohne künstliche Eingriffe ist. Denn um eine solche Geburt erleben zu können, darf laut Arzt und Geburtshelfer Michel Odent der Neokortex, also die Großhirnrinde der Gebärenden nicht angereizt werden. Der Neokortex übernimmt komplexe kognitive Leistungen wie z.B. das Denken

Wichtig für eine reibungslose Geburt seien die alten Gehirnregionen Hypothalamus und Hypophyse. Diese wichtigen Drüsen im Gehirn steuern und regulieren weitere endokrine Drüsen und Organe im Körper, die für die Hormonproduktion und -ausschüttung zuständig sind. Welche Hormone brauchen wir für die Geburt? Oxytocin und Melatonin. Letzteres unterstützt dabei die Ausschüttung von Oxytocin. Und wie sollte es auch anders sein, stört die Aktivierung des Neokortex die Arbeit der alten Gehirnpartien.

Um den Neokortex unter der Geburt nicht anzureizen, sind folgende Dinge zu vermeiden:

→ Sprache, insbesondere logische und komplexe Diskussionen

→ Unter Beobachtung stehen

→ Grelles Licht

→ Situationen, bei denen es zur Ausschüttung von Adrenalin kommt

Diese vier Kriterien sind meiner Meinung nach in der Klinik schwerer einzuhalten als bei einer Hausgeburt. Denn, um nur einige Punkte zu nennen: 

  • Bei Ankunft im Krankenhaus gibt es ganz nach Protokoll erst einmal einen unangenehmen Pieks, um den venösen Zugang zu legen (ob man ihn braucht oder nicht).
  • Dann wird Frau gezwungenermaßen auf der Seite liegend (unangenehm bei Wehen) ans CTG angeschlossen und muss zunächst so verharren.
  • Trotz bereits vorhandener Wehentätigkeit wird die Schwangere unter Umständen noch mit zahlreichen Fragen konfrontiert.

Und das war nur der Beginn der Geburt…

Fazit

Insgesamt kommt es bei außerklinischen Geburten vergleichsweise selten zu ernsten Zwischenfällen. Wie ihr der Statistik entnehmen könnt, kann bei Auffälligkeiten im Laufe der Geburt in der Regel problemlos übergeleitet werden. Zusätzlich wirkt das vertraute Umfeld beruhigend auf Mutter und Kind. 

Und was ist schöner, als sich nach der kräftezehrenden Geburt mit dem lang ersehnten Nachwuchs ins eigene, frisch bezogene Bett zu kuscheln?!

Letztendlich muss und darf jede Frau selbst entscheiden, welcher für sie und ihr Baby der beste Geburtsort ist, und wo sie sich für diesen intimen und ursprünglichen Prozess am wohlsten fühlt. 

Nur darf man meiner Meinung nach der außerklinischen Geburtshilfe nicht von vorne herein mit Angst oder Ablehnung begegnen, ohne sie zu kennen. Denn sie und ihre “schaffenden Helferlein” leisten Großes und das trotz horrender Berufshaftpflichtversicherungen, die viele Hebammen kaum noch stemmen können.

Ich schließe mit einer nachdenklichen Frage ab: Warum findet die Mehrheit der GEBURTEN in KRANKEN-Häusern statt und nicht in GEBURTS-Häusern?

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